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Kunstwerkstatt Kreuzberg

Die Werkstatt existiert seit 1993 in wechselnder Besetzung an verschiedenen Orten.

Die Werkstatt existiert seit 1993 in wechselnder Besetzung an verschiedenen Orten. Sie entstand aus einer Initiative der Mitarbeiter des Betreuten Einzelwohnens der Lebenshilfe Berlin und ist seitdem immer Teil der Gruppenaktivität dieses Teams.

Unsere Klienten gelten als geistig behindert. Dieser Oberbegriff erweist sich schnell als völlig ungeeignet, um ihre Persönlichkeiten zu beschreiben. Zu individuell sind ihre Fähigkeiten, Defizite, Erkrankungen, Werdegänge und Strategien im Umgang mit dem Leben.


Oft ist es auch unklar, wer hier eigentlich wen behindert. Manches kann man von ihnen lernen, zum Beispiel Demut dem eigenen Schicksal gegenüber und Lebensfreude. Sie wohnen in ihren eigenen Wohnungen, gehen zum Teil arbeiten und leben ihr Leben so selbstständig wie möglich und werden von uns je nach ihrem individuellen Bedarf im Alltag und in verschiedensten Lebenslagen unterstützt.

Einmal in der Woche bieten wir eine Kunstgruppe an, aktuell in der Berlinischen Galerie. Outsider Art, Art Brut, naive Kunst – es gibt viele Etiketten für das, was wir tun. Was ist nun Kunst und wer ist ein Künstler? Im Lexikon steht: „Das Wort Kunst bezeichnet im weitesten Sinne jede entwickelte Tätigkeit, die auf Wissen, Übung, Wahrnehmung, Vorstellung und Intuition gegründet ist und nicht eindeutig durch Funktion festgelegt ist. Es ist ein kreativer Prozess, an dessen Ende ein Kunstwerk steht.“ Karl Valentin sagt: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“ Ein Künstler wäre demnach ein Mensch, der den Willen hat, sich über ein bestimmtes Maß hinaus auszudrücken und mitteilen zu wollen und bereit ist, Zeit und Energie dafür einzusetzen. Dies ist bei vielen unserer Klienten der Fall. Dennoch scheue ich mich generell, von ihnen als Künstlern zu sprechen. Sie sind Dilettanten im reinsten und wahrhaftigsten Sinne des Wortes. Es ist eine Liebhaberei, keine Profession und auch keine Berufung. Sie beschäftigen sich aus Freude mit dem Malen, und dies findet sich in den Werken wieder: Ein direkter, impulsiver Zugang zu Farbe und Form. Nach zwei Stunden Kunstgruppe sieht unser Treffpunkt regelmäßig nach einer Farbexplosion aus.

Die Kunstwerkstatt möchte die interessierten Menschen vor allem an zwei Dinge heranführen:Ich kann mich auch anders mitteilen.Ich kann lernen, dies mit den unterschiedlichsten Materialien und Formen zu tun.Die Anleiter beraten bei der Bildkonzeption, Farbwahl. Wir wollen den Leuten die Angst vor dem weißen Blatt nehmen, schlagen Themen vor und erarbeiten Techniken auf einem für den Einzelnen umsetzbaren Niveau. Wir vermitteln Möglichkeiten, sich auszudrücken, aber wir akzeptieren auch den Zufall und das Absichtslose als Gestaltungsprinzip. Das Wesentliche ist das kreative Tun, die Loslösung vom Alltag, aber auch vom Abbildhaften.

Unsere Klienten haben durch diese Gruppe viel für sich gelernt. Sie entdecken ihre Fähigkeiten, geben Workshops, nehmen an Ausstellungen teil, verkaufen Bilder und erhalten Anerkennung. Dies bedeutet nicht notwendigerweise, dass alles, was bei uns entsteht, Kunst ist. Auch der Beuys’sche Satz, dass jeder ein Künstler ist, ist in seiner Beiläufigkeit meiner Meinung nach nicht unbedingt richtig, aber immer wieder entstehen Werke, die Kunst sind und gezeigt werden müssen.

Zur Kunstvermittlung: Wie sieht es nun bei der Rezeption von Kunst im Allgemeinen aus? Wie sprechen wir über Kunst?

Meine wichtigste Erfahrung ist, dass bei der Kunstvermittlung sich vor allem eines verbietet: das Dozieren über Werk und Schöpfer, sprich Klugscheißer-Wissenstransfer. In der Kunst darf keine Einbahnstraße sein. Immer spielen subjektive Eindrücke und Empfindungen, Erlebnishorizonte und Lebenskontexte eine Rolle. Was wäre denn ein Kunstwerk ohne Betrachtung? Kunst löst im günstigsten Fall Gefühle aus und regt zum Denken an. Ein Kunstwerk kann auf Zustimmung oder Ablehnung stoßen. Es kann Sehnsucht, Melancholie, Freude, Schrecken, Angst, Trauer oder einfach nur Verwirrung auslösen. Wie Kunst auf den Einzelnen wirkt, kann man nicht erklären. Es gibt dafür keine Regeln.

Gerade deshalb ist es interessant, mit Lernbehinderten gemeinsam Kunst zu betrachten und darüber zu sprechen. Denn Kunst kann auch von ihnen kommentiert, diskutiert, geliebt oder abgelehnt werden. Vor allem ist es immer wieder ein Erlebnis für mich, wie interpretiert wird. Denn darum geht es: Kunst zu sehen, Empfindungen zuzulassen und Möglichkeiten zu entdecken, sich auszutauschen und eine eigene Meinung zu bilden.

Die Geschichte eines Werks, die Machart, die Besonderheiten im Detail sind wichtig und für manchen in unserer Gruppe auch interessant. Aber dabei sollte nicht primär abfragbares Wissen vermittelt werden. Es ist unser Hauptanliegen, den Blick auf die eigenen Ausdrucksmöglichkeiten zu weiten. Für uns ist Kunst nicht nur „schön“ und „interessant“, sondern auch für jeden, der an unserer Gruppe teilnimmt, relevant für die eigene Identität. Die Kunstbetrachtung als Steinbruch für das eigene Schaffen.

Wie gelingt es, Kunstwerke und Betrachter*innen zusammenzubringen? Ganz trivial erstmal beim Anschauen:

In Büchern, Katalogen, am PC, in Museen, Ausstellungen. Wenn ein Bild einem unserer Gruppenmitglieder gefällt, fragen wir uns: Wie hat er das gemacht? Mit welcher Technik? Welche Farben? Wir probieren es aus. Wir sind keine Theoretiker, wir machen. Durch die Reproduktion des Gemäldes mit den eigenen Mitteln entsteht ein persönliches Grundverständnis. Dennoch sind immer auch Erklärungen oder Hinweise nötig. Ich muss bereit sein, so einfach, klar und schnörkellos wie möglich zu sprechen. Viel ist die Rede von leichter Sprache, aber als solche existiert sie nicht. Es gibt ja auch nicht die homogene Adressatengruppe. Mit einem Deutschen rede ich Deutsch und erwarte, dass er Wörter und Begrifflichkeiten ähnlich auffasst wie ich. In der leichten Sprache existiert dies nicht. Ich muss mich immer auf die individuelle Situation und die kognitiven und intellektuellen Fähigkeiten meines Gegenübers einlassen.

Erst dann entsteht eine sinnvolle Kommunikation, die gewinnbringend und erkenntnisreich für alle ist. Und damit bin ich bei unserem nächsten Projekt: Wir wollen uns als kunst- und kulturinteressierte Gruppe den Sozialraum Museum erschließen und hoffen, dass unser Engagement in den verschiedenen Museen der Stadt ein Schritt in diese Richtung bedeutet. Einige dieser Werke sehen Sie nun hier: Spachtelarbeiten auf Papier, Monotypen, Drucke, Zeichnungen. Gegenständliches neben Formen und Farben. Viele Leute, denen wir diese Bilder gezeigt haben, sind von der Spontanität, der Kraft und dem Witz beeindruckt. Die Klienten erfahren so eine ungeahnte Wertschätzung ihrer Arbeiten und ihrer selbst.

Diese Erfahrung bestärkte uns in unserer schon lange proklamierten These, dass die Kunst unserer Klienten es verdient hat, nicht nur von Angehörigen und ihrem sonstigen Umfeld rezipiert zu werden, sondern in einem anderen Kontext durchaus bestehen kann. So haben wir über die Jahre einen reichen Fundus aufgebaut, in der Hoffnung, sie eines Tages in einem adäquaten Rahmen zeigen zu können. Denn diese Bilder haben Öffentlichkeit verdient.

Immer stärker rückt der Aspekt der Inklusion und Vermittlung in unsere Arbeit. Wir werden angefragt für Podiumsdiskussionen, Workshops und Führungen. Prinzipiell wird nicht über, sondern mit uns gesprochen. Wir vermitteln, wer wir sind, und wir inkludieren freundlich, aber bestimmt unser Gegenüber.

Chronik



1999 hatten wir unsere erste Ausstellung im Kulturzentrum Jo-Jo in Mitte.
Seit demselben Jahr nehmen wir regelmäßig an der "Ermutigung" in Fürstenwalde teil, zuletzt 2015.
2000/2001 Gestaltung Karneval der Kulturen
2001 waren wir in der Biennale Frankfurt/Oder vertreten.
2003 eröffneten wir eine Ausstellung in den Räumen der Oberfinanzdirektion Berlin.
2008 Ausstellung "Sichtweisen", sowie Beteiligung an einer Ausstellung des Kunstforums. 
Letztere ist für uns von besonderer Bedeutung, da die Künstler (3) durch eine Jury bewertet wurden und die Tatsache, dass es sich um Menschen mit Behinderungen handelte, unbekannt war. Unter 267 Einsendungen wurden 50 ausgewählt.
2009 Einzelausstellung Fachhochschule Rheinbach.
2010 Teilnahme am Karneval der Kulturen in Kooperation mit den Wasserwerken Berlin.
Ausstellung im Café Bethesta. Beteiligung an der Werkschau der Kunstgruppen der Lebenshilfe Berlin anlässlich des 50-jährigen Jubiläums in der Galerie Art-cru
2011 Teilnahme an einem Buchprojekt der Fotografin Jo Goertz.


Teilnahme an dem Internationalen Workshop "Inbetween- out in Randers / Dänemark und Berlin.


2012
Inklusiver Workshop mit Mitarbeitern der Deutschen Bank
Pfingsten: Regelmäßige Teilnahme am Karneval der Kulturen
Regelmäßige Teilnahme an der Ermutigung in Fürstenwalde
Workshop im Rahmen des Wasserfestes der Wasserbetriebe Berlin

2013

Teilnahme Nacht und Nebel in Neukölln
2014

Workshop zum Inklusionstag der Aktion Mensch
Werkschau im Kunst und Aktionshaus Schiller Palais

2015
Art of conflict, Teilnahme an Ausstellung in London, Buchillustration
Kooperation für eine inklusive Galeriearbeit im Schiller Palais
2015/16
Mitinitiator des Projektes "Neue Perspektiven gewinnen", 

Folgeprojekte der Kunstwerkstatt mit dem Deutschen Historischen Museum (Texte und Führung in leichter Sprache, Berlinische Galerie Peer-Konzept für Führungen, Schulungen von Guides und Museumspädagogischen Personal in der Stiftung Deutsche Geschichte, Projektarbeit mit Bauhaus Museum, Filmmuseum.)
2017
Konzeptionierung und Erstellung einen Museumsführer als Broschüre in einfacher Sprache mit einer Peergroup.
Inklusive Workshops „Drucken Sie sich aus“ auf Straßenfesten, Mitglied im Projekt-Team „Platz Da“ in der NGBK , mit von der Klientin entwickelten Angang in der Vermittlung: Jede Ausstellung wird aus der Sicht der Künstlerin mit Lernbehinderung kommentiert und mit ihren Mitteln dargestellt. App / Testgruppe im DHM, Ausstellung im Bilgisaray, Erstellung Trickfilm „ Meine Stadt“

2018
Website: Portal für Museums und Kulturaktivitäten, weitere Buchillustration, Film mit dem Technik-Museum, Leichte Sprache Texte im Museum für Film Ausstellung in Berlin , Art Kreuzberg , Biografie-Projekt / Buch: Wie ich wurde wer ich bin

2019
Resident Artist in der Berlinischen Galerie, regelmäßige Kooperationen mit Geflüchteten der Paulo Freire Schule.

Ausstellung der Ergebnisse des ersten Standortwechsels im Rahmen der Bauhausausstellung

Tanzprojekt  "die Tanzerei" mit internationalen Choreografen, Entwicklung einer Performance, Premiere für Sommer 2020 avisiert.

Entwicklung und Durchführung von inklusiven Tandemführungen für das Technikmuseum und die Topografie.

Workshop zum Thema T4 Euthanasie und Gedenken in Kooperation mit der Zukunftssicherung und dem Thiele Winkler Haus

Ausstellung und Workshop mit internationalen Künstlern in der Ausstellung Capital Shit im Verwalterhaus

2020

inklusiver Kommentar zur Berlin-Ausstellung im Humboldt-Forum, Teilnahme am Festival Einzeichnen der Berlinischen Galerie (Beides Corona-bedingt im Herbst) Teilnahme Kulturaustausch mit Südkorea.

Ausbau der Kultur und Inklusionsaktivitäten

  Gründung eines Inklusive  Cafés im Rahmen des Bilgisaray , Kooperation mit den Prinzessinengärten.

2021

Frei Parken: Workshop-Reihe in der Berlinischen Galerie Tanz, Fotografie und Malen auf dem Parkplatz des Museums

Frische Luft: Sommerprogramm mit Ausstellung  in den inklusiven Nachbarschaftsgärten am Moritzplatz

Teilnahme an der Art Week

4 Tägiger Workshop zu T4 der nun schon zum 3 mal durchgeführt wurde

Der inklusive Workshop beschäftigt sich mit der Verfolgung und Ermordung von Menschen mit Behinderung im Nationalsozialismus, dem Erinnern und dem Umgang mit der Geschichte.
In dem Workshop fragen wir uns auch, was die Geschehnisse von
damals für uns heute bedeuten.                                                            

2022

Entwicklung einer inklusiven Stadtführung

Workshop Sommerfest Kotti ev.

Entwicklung einer Führung im ethnologischen Museum

Teilnahme bei dem Sommerprogramm des Humboldt-Forums " Durchlüften "mit einem Siebdruck-Workshop

Kooperation mit dem Kollektiv Tod für den Kunstkalender 2023

2023

Ausstellung: Teil sein / Be Part of it  in der Berlinischen Galerie zur Teilhabe

Gestaltung des Durchlüften- Festivals für Berlin Global im Humboldt-Forum: Actionpainting mit Gästen im Schlüterhof

Führungen und Workshops im Ethnologischen Museum zum Thema Götter Schutz und Orientierung.

Film über die Aktivitäten der Kunstwerkstatt für die deutsche Welle Südamerika

Führung zur Antike im alten Museum

2024

Konzipierung einer inklusiven Führung in den neuen Räumen der NGBK

Artburst Berlin in der Architekturgalerie Karl Marx Allee: Fertigung eines Stadtmodells Moritzplatz

Kooperation mit dem Kino Brotfabrik für eine inklusive Filmreihe

Workshop mit der jüdischen Wohlfahrt anlässlich des Weltjugendtages

Ausstellung Momentaufnahmen  in den Räumen vom Stadtteilzentrum Kreuzberg

Lange Nacht der Museen: Das Kartenhaus in der Berlinischen Galerie; eine interaktive Intervention, bei der sich die Beteiligten die Karten legen.